Christiana Mariana von Ziegler - Edition

CMZ
Aufklärungsfeminismus und Kulturtransfer
Christiana Mariana von Ziegler:
Kommentierte Werkausgabe
gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
Leitung: Prof. Dr. Astrid Dröse
Mitarbeit: Dr. Marisa Irawan
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Germanistik: Literatur – Sprache – Medien
Abt. Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft

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Leipzig liest extra | Christiana Mariana von Ziegler – eine frühe Aufklärungsfeministin aus Leipzig
Biographie
Christiana Mariana von Ziegler
Geboren wurde Christiana Mariana von Ziegler 1695 in Leipzig.
Sie stammte aus einer nobilitierten Juristenfamilie. Ihr Vater Franz Conrad Romanus hatte mit Unterstützung Augusts des Starken das Bürgermeisteramt erlangt, wurde jedoch später wegen eines Betrugsvorwurfs lebenslang inhaftiert. Christiana Mariana wurde wie viele Töchter des gehobenen Bürgertums von privaten Hauslehrern in vielen – v.a. musischen – Bereichen ausgebildet, u.a. durch den Jurist und Herausgeber des Nutzbaren, galanten und curiösen Frauenzimmer-Lexicons, Gottlieb Siegmund Corvinus (1677-1746). Nach dem Tod ihres ersten Ehemanns heiratete sie 20-jährig den Offizier Georg Christoph von Ziegler, der nach einer kurzen, konfliktbehafteten Ehe im Feld starb. Zwei Töchter aus beiden Ehen fielen einer Krankheit zum Opfer. Nach diesen Schicksalsschlägen kehrte Ziegler 1722 in das Elternhaus zurück. Hier, im sogenannten Romanushaus, organisierte sie fortan nach französischem Vorbild einen elitären, mondänen Salon, in dem bald schon die intellektuelle und künstlerische Elite Leipzigs ein und aus ging. Für Johann Christoph Gottsched, der 1724 noch als Student aus Königsberg nach Leipzig gelangte, war der Ziegler’sche Salon beispielsweise entscheidend, um im Kreis der Leipziger Funktionselite zu reüssieren. Kurze Zeit später wurde er in Leipzig Professor und avancierte als scharfer Kunstrichter zu einer der bedeutendsten Figuren im deutschen Literaturbetrieb. Gottsched selbst war ein großer Befürworter der Frauenbildung und fand in Ziegler eine wichtige Förderin und Mitstreiterin. Für die ambitionierte Ziegler eröffnete sich im Gegenzug die Möglichkeit, nach den vielen entbehrungsreichen, von Tod und Umzügen geprägten Jahren, Anerkennung als femme de lettres und dame savante zu erlangen.
Doch ihr Selbstverständnis reichte weit über das einer angesehenen Salonnière hinaus. Bereits 1728/29 war sie mit ihrem zweibändigen Versuch In Gebundener Schreib-Art
literarisch hervorgetreten – eine Sammlung, die Ziegler selbstbewusst unter ihrem Namen in Leipzig veröffentlichte. Zuvor hatte sie unter Pseudonymen wie de Rose und Clarimene von Lindenheim in Gottscheds Zeitschrift Die vernünftigen Tadlerinnen publiziert. Es folgten ihr Versuch In Gebundener Schreib-Art. Anderer und letzter Theil sowie Moralische und vermischte Send-Schreiben und Vermischte Schriften. 1730 wurde sie als erstes weibliches Mitglied in die „Deutsche Gesellschaft“ aufgenommen, die unter der Leitung Gottscheds stand und sich nach dem Vorbild der Académie Française der Pflege der deutschen Sprache widmete. Zweimal, 1732 und 1734, wurde Ziegler dort der jährlich vergebene Preis der Poesie zuerkannt. 1733 erreichte ihre Prominenz einen Höhepunkt: Auf Bestreben Gottscheds wurde sie von der Universität Wittenberg zur Poeta Laureata gekrönt. Als Gelehrte, begabte Musikerin sowie als Netzwerkerin, aber auch als Übersetzerin, Lyrikerin und Verfasserin von ästhetischen und politischen Abhandlungen reichte ihre Prominenz weit über die Grenzen der Universitätsstadt hinaus.
Nach der Heirat mit dem Juraprofessor Steinwehr im Jahr
1741 und ihrem Wegzug aus Leipzig in die kleine preußische
Universitäts- und Garnisonsstadt Frankfurt an der Oder enden Zieglers literarische und essayistische Tätigkeiten weitgehend.
Für rund zwei Jahrzehnte war Christiana Mariana von Ziegler jedoch die vielleicht wichtigste Akteurin im Leipziger Kulturleben.


Moralische und vermischte Send-Schreiben
Hierbei handelt es sich v. a. mit Blick auf den europäischen Aufklärungsfeminismus um die wichtigste Sammlung Zieglers. Die hundert an weibliche wie männliche, anonyme Adressat:innen gerichteten essayistischen Briefe stellt die Autorin im programmatischen Vorwort in die Tradition der französischen moralistischen Briefessayistik, v. a. der Anne-Thérèse de Lambert (gemeint sind u. a. die Lettres sur la veritable education, Amsterdam 1729). Inhaltlich stehen sie in enger Verbindung mit den Themen von Gottscheds Zeitschrift Die vernünfftigen Tadlerinnen (1725/26), in der Ziegler unter verschiedenen Pseudonymen selbst publizierte. In den einzelnen Briefen tritt Ziegler als Ratgeberin und Vertraute, als Gesellschafts-, Sprach- und Kunstkritikerin auf. Im Zentrum stehen traditionell weiblich konnotierte Themen: Erziehung, Ehe, aber auch ästhetische und gesellschaftliche Fragen, z. B. zur Oper, bei deren Bewertung sie Gottsched widerspricht. In einigen Briefen manifestiert sich eine weibliche Spielart des zeitgenössischen Freundschaftskults. Trotz der inhaltlichen Vielfalt lässt sich ein thematischer Dreh- und Angelpunkt der Send-Schreiben bestimmen: Die meisten Briefe haben direkt oder indirekt mit Fragen der weiblichen Aufklärung durch Studium und Lektüre zu tun. Als aufmerksame Beobachterin der gesamteuropäischen Querelle des femmes war Ziegler auf dem neuesten Stand naturrechtlicher Diskussionen um die Gleichwertigkeit der Geschlechter, wie sie im Gottsched-Kreis geführt wurden. Weibliche Bildung bleibt für sie ein nützliches und vernünftiges Ziel, das sich gut mit Ehevorstellungen und Arbeitsethos des protestantischen Bürgertums verbinden ließ.